Es wäre mir fast normal vorgekommen, wenn Bilbo Beutlin auf diesem Weg fröhlich pfeifend lang marschiert wäre. Du Kennst Bilbo Beutlin nicht? Er ist wohl der berühmteste Hobbit und entsprang dem wunderbaren Roman "The Hobbit" von dem englischen Schrift- steller J.R.R. Tolkien. Lange Zeit hatten die fantastischen Figuren gar nichts mit Neu- seeland zu tun, aber dann wurden die Bücher verfilmt - in Neuseeland versteht sich! Und deswegen verwandelte sich auch vor meinen Augen so manche Gegend in das umkämpfte Nebelgebirge oder ins freundliche Auental, wie zum Beispiel der Weg zur Wharariki Beach, den ich am Tag nach ...
... der Walrettungsaktion entlang ging. Beim Gehen konnte ich es einfach nicht lassen, nach Hobbithöhlen Ausschau zu halten. Leider erfolglos, ich habe "nur" Schafe, Zäune und ein besonders schönes Exemplar der Cabbage Trees gesehen. Dieser Baum, den es so nur in Neuseeland gibt, hieße direkt übersetzt "Kohlbaum", und ich habe keine Ahnung, warum er auf Englisch so genannt wird. Auch der seltsamste Kohl sieht doch anders aus, oder?
Für die Maoris war dieser Baum sehr wichtig: Er war Bestandteil ihrer Nahrung, aus seinem Gewebe stellte man Sandalen und sogar Leggings her, medizinisch wurde der Baum auch genutzt, Häuser aus dem starken Holz gebaut und reißfeste Seile aus dem Gewebe hergestellt. Ganz schön vielseitig, oder? Nach der Ankunft der Europäer verlor der Baum allerdings immer mehr an Bedeutung, und nur langsam besinnen sich die Maoris wieder auf seinen Reichtum.
Aber egal ob Maori oder Pakeha (Neuseeländer mit europäischen Wurzeln in der Sprache der Maoris), beim Anblick des Cabbage Trees soll jeder Kiwi Heimweh bekommen.
Nachdem wir beschwingt durch das Auenland spaziert waren, gelangten wir zur Bucht mit ihren bizarren Felsen und Höhlen. Vor allem das imposante Tor mitten im Wasser war natürlich ein Blickfang! Als ich so an den Felsen vorbeiging, sah ich auf einmal das Profil eines männlichen Kopfes mit Bart. Siehst du es auch rechts oben? Wie eingemeißelt sieht es aus. Und wieder musste ich an den Hobbit denken, denn Bilbo macht bei seinen Abenteuern die unerfreuliche Bekanntschaft mit Steinriesen, die äußerst lebendig und gefährlich waren. Mein Steinriese blieb glücklicherweise still und hörte nicht auf, friedlich auf das Meer zu blicken.
Ganz und gar nicht still verhielten sich ein paar quirlige Robben, die sich im seichten Wasser am Strand tummelten. Es sah aus wie ein kleiner Kindergarten mit einer Erzieherin, die ihre Schützlinge frei toben ließ, so lange sie selbst nicht gestört wurde und sich genüsslich kraulen konnte. Uns fotogierige Touristen behielt sie dabei aber genau im Auge und schoss bei gefühlter Gefahr auch schon mal ärgerlich auf uns zu. Von Null auf Hundert sozusagen! Respekt.
Irgendwann wurden auch die Robbenkinder ruhiger, und als hätte jemand einen Schalter umgelegt, standen wir im Abendlicht. Kennst
du diesen Augenblick, wenn man auf einmal fühlt, dass der Abend anbricht, obwohl die Sonne noch hell scheint? So war es am Strand von Wharariki. Wir verabschiedeten uns von der malerischen Bucht
mit ihren ausgehöhlten Felsen, wanderten durch die "hobbitische" Dünenlandschaft und fuhren "nach Hause". Aber noch nicht ganz: Zur Krönung des Tages sprangen wir im Licht der untergehenden Sonne
im Abel Tasman Nationalpark ins Wasser.
Wenn du jetzt noch weiter in Neuseeland bleiben willst, dann schlage ich dir vor "Der kleine Hobbit" zu lesen, falls das Buch für dich in greifbarer Nähe ist! Denn wenn Tolkien auch nie in Neuseeland war, er wäre von der Landschaft begeistert und würde überall Mittelerde sehen - allerdings ohne Robben und Cabbage Trees. Die kommen in dem Roman einfach nicht vor.
Bevor es auf der nächsten Seite nach Wellington weitergeht, kannst du noch ein Rätsel lösen: Auf der Postkarte ist ein Tier zu sehen, das es in Neuseeland nicht mehr gibt. Weißt du welches? Die Robbe ist es schon mal nicht! ;)
Auf zur nächsten Station!