In Feuerland kann man auch im Sommer mit einem Pinguinkostüm herumlaufen, und man fängt nicht an zu schwitzen. Warum? Die
Antarktis liegt sozusagen vor der Haustür und pustet ihre eisigen Winde bis nach Feuerland, und da helfen nur eine dicke Jacke, Schal und Mütze oder eben eine kuschelige
Pinguinverkleidung wie hier in der Stadt Ushuaia. Jetzt fragst du dich vielleicht, warum man dort überhaupt hinfährt. Kälte im Sommer, wer will das denn? Ich kenne drei triftige
Gründe. Zum einen ist die karge, bergige, wilde Natur Feuerlands einfach der Hammer! Zum anderen ist
Ushuaia für viele Touristen der Ausgangspunkt ihrer Schiffs-
fahrt in die Antarktis. Und als drittes kommt hinzu, dass es im Winter fast immer dunkel und soooo kalt ist, dass man nicht mal den Müll rausbringen will. Für mich trafen die drei Gründe genau zu. Ich hatte einen Segeltörn in die Antarktis gebucht, wollte in der unberührten Natur wandern und nicht im Dunkeln bei Minusgraden herumtapsen.
Im Dunkeln gelandet bin ich aber dennoch und zwar mit vier Stunden Verspätung kurz vor Mitternacht. Das hielt meine Herbergsmutter aber nicht davon
ab, mich mit ihrer Familie vom Flughafen abzuholen. Bei so viel Herzlichkeit war meine Müdigkeit schnell verflogen, und bis drei Uhr morgens haben wir zusammen noch fröhlich Abendbrot essen.
Naja, es war wohl eher ein Nachtmal, aber das war nicht schlimm, denn die Argentinier sind durch und durch Nachtmenschen. Und sie essen gerne, am liebsten Fleisch. Gleich am
nächsten Tag wurde ich auch zu einem asado, zu einem Grillfest in der Großfamilie eingeladen. "Was für ein Glück ich habe!" dachte ich mir. Durch die Freundlichkeit
meiner neuen Bekannten war mir trotz des kalten Windes ganz wohlig ums Herz!
Ich bleibe mit dir noch in Ushuaia. Die Stadt ist nicht schön, finde ich. Jeder baut sein Haus irgendwie, malt es dann irgendwie an und repariert Windschäden irgendwie. Alles scheint irgendwie egal zu sein. Was die Stadt besonders macht, ist ihre Lage.
Einmal sind da natürlich die Berge, die Ausläufer der Bergkette der Anden, die imposant im Hintergrund thronen. Und dann liegt Ushuaia am Ende des Beagle Channels, des Fjords, der zum offenen Meer Richtung Antarktis führt. Eine sagenumwobene Gegend!
Außerdem hat Ushuaia eine wilde Geschichte. Früher kamen hier nur Abenteuer, Forscher und Missionare her. Das Klima war einfach so rau, die Gegend so fern ab, im Winter war es so dunkel und kalt, abgeschnitten vom Rest der Welt - man musste schon verwegen sein, um hier leben zu wollen. Oder man musste gezwungen werden, und damit komme ich zu einem düsteren Kapitel der Stadtgeschichte.
Die Abgeschiedenheit machte sich die argentinische Regierung zu Nutze und ließ ein Gefängnis bauen, in dem Schwerstverbrecher inhaftiert wurden. Die Bedingungen waren für die Insassen grausam, sie waren ihren Wärtern völlig ausgeliefert. Nur ein Gefangener soll es je geschafft haben auszubrechen - er wurde in den Wäldern Feuerlands aber gleich wieder geschnappt. Wohin sollte man auch fliehen?
An der Südspitze Argentiniens herrschte also nicht eitel Sonnenschein! Und es wird sogar noch etwas dunkler. Vor den europäischen Abenteurern, Forschern,
Missionaren und Gefangenen haben hier schon viele Menschen gelebt! Vier einheimische Stämme teilten sich Feuerland zuvor recht friedlich und lebten über
Jahrhunderte am Südzipfel der Welt. Fast ohne Bekleidung trotzten sie Wind und Kälte! Heute lebt keine mehr von ihnen. Ich kann dir aber berichten, was ich im Laufe der Reise über sie erfahren
habe.