Die Wege in Wäldern in Deutschland erinnnern mich oft an Spaziergänger-Autobahnen - immer geradeaus durch Kieferschonungen. Mit etwas Glück hört und sieht man einen Specht, und ein Eichhörnchen huscht vorbei. Das kann langweilig werden. Diese Vorstellung von Waldspaziergängen kann man getrost zuhause lassen, wenn man nach Costa Rica fliegt. In den tropischen Wäldern ist nichts gerade oder gleichmäßig und mit einem geschulten Blick ist überall etwas zu entdecken. Heute nehme ich dich mit durch den Nationalpark Carara an der Pazifik-Küste. Er ist klein, aber besonders.
Du bist schon oft über Grenzen gefahren, zum Beispiel die Stadt- oder Dorfgrenze deines Wohnortes. Diese Grenzen wurden von Menschen gemacht. Anders ist es mit Klimagrenzen, die von der Natur bestimmt werden. Diese Grenzen sind natürlich nicht exakt gezogen und kein Strich in der Landschaft, sondern ähneln eher breiten Gürteln. Und so ein Gürtel durchzieht den Nationalpark Carara. In dem oberen Teil ist das trockene Klima des Nordens von Costa Rica vorherrschend, in dem unterem Teil aber schlägt einem das feuchtheiße Klima des Südens entgegen. Es ist wirklich erstaunlich. Zum Beispiel sind viele Blätter im schwüleren Teil größer und wirken dadurch „dschungeliger“ als im anderen Teil, der gleich nebenan liegt.
Das zu sehen, ist schon interessant. Wenn sich dann auch noch die Tierwelt zeigt, kann jeder Zoo der Welt einpacken. Bei meinen Wanderungen in Carara hatte ich damit nicht sooooo viel Glück, obwohl ich gleich morgens mit einem Naturführer losgegangen bin. Aber ein paar Tiere habe ich doch zu Gesicht bekommen.
Unser Guide schulterte sein Fernglas-Stativ und Marta, die Freundin mit der ich schon auf dem Chirripó war, und ich trotteten hinterher. Leise, um ja keine Tiere zu verschrecken. Die ersten Begegnungen hatten wir mit Ameisen. Ameisen sind in Costa Rica allgegenwärtig und können in der Küche eine wahre Plage werden. Diese Haus- und Gartenameisen sind normalerweise klein, was wir in Carara sahen, waren große hormigas, wie sie auf Spanisch heißen. Laut Guide sahen wir sogar eine Vertreterin der größten in Mittelamerika lebenden Sorte, die auf Deutsch 24-Stunden-Ameise heißt. Witziger Name, oder? Der Grund des Namens ist weniger spaßig, da die Ameise den schmerzhaftesten Stich verabreicht, den es unter den Insekten so gibt, und der einen vollen Tag brennt. Da hielten wir also schön Abstand und provozierten sie nicht, damit sie nicht ihre 1.000 Mitarbeiter zu Hilfe rufen musste.
Dann waren da noch Ameisen, die auf Akazienbäumen in Kolonien mit bis zu 20.000 Arbeiterinnen leben. Für den Baum ist es nicht schlecht, dass die Ameisen in ihm wohnen, denn sie halten den Boden um den Baumstamm von andere Pflanzen frei. Die Nährstoffe der Erde bleiben also dem Baum allein vorbehalten. So ein Geben und Nehmen gibt es ganz oft in der Pflanzen- und Tierwelt, und in der Fachwelt heißt es Symbiose.
Eine andere Symbiose gehen die Blattschneideameisen ein, die bestimmt die fleißigsten Lebewesen der Erde sind. Sie leben mit einem Pilz zusammen, den sie mit eigens geschnittenen Blättern füttern. Du gehst ganz unbedarft auf einem Weg und plötzlich siehst du am Boden eine grüne Linie, die sich bewegt. Millionen kleine Ameisen tragen leuchtend grüne Blattschnipsel, die viel schwerer als ihr eigenes Körpergewicht sind. In unterirdischen Kammern zerteilen andere Gruppen der Kolonne die Blätter und füttern so den Pilz, von dem sich die Ameisen dann selbst ernähren. Bei dem Arbeitsprozess gibt es 29 Schritte, die jeweils von anderen Gruppen ausgeführt werden. Es gibt sogar Kundschafter, die nach neuen Bäumen suchen und Fährten legen. Das ist doch abgefahren!
Ameisen gehen stur ihrer Arbeit nach, wenn aber Gefahr lauert, rotten sie sich zusammen und wehren sich. Und nicht nur gegen den Ameisenbär, denn auch unter Ameisen gibt es Sympathien und Antipathien, das heißt manche Ameisenarten lassen sich in Ruhe und andere ziehen in den Kampf, wenn sich ihre Wege kreuzen.
Unsere Blicke hafteten also zu Beginn des Spaziergang am Boden, als wir sie endlich nach oben schwenkten, sahen wir Fledermäuse, die an den Bäumen klebten. Dabei zeigte unser Guide uns eine einäugige Fledermaus, die er Captain Sparrow nannte. Wenn es wirklich ein Männchen war, hatte es in seiner Nähe einige Weibchen rumhängen, die er morgens und abends mit einem Spray einsprühte. Die Botschaft soll wohl sein sein: "Die gehören zu mir. Hände weg!" Diese Spray-Gemisch besteht unter anderem aus Urin, igitt!
Hoch oben auf der Höhe der Baumwipfel kreischten Aras während ihres Flugs, diese wunderschönen, großen Papageien. Knallrot leuchteten sie aus dem Blätterdach hervor. Fast wären sie in Costa Rica ausgestorben, aber durch gezielte Schutzprogramme gibt es in dem Park inzwischen wieder über 150 Paare, und diese Paare bekommen im Durchschnitt wieder ein bis drei Junge. Ihr Fortbestehen ist also erst einmal gesichert. Papageien kennen wir in Deutschland ja nur eingesperrt in Käfigen, aber wenn man sie dann so durch den Regenwald in Scharen fliegen sieht und ihre durchdringenden Schreie hört, dann bekommt man so ein tiefes Gefühl von Freude und Freiheit. Ich zumindest.
Ganz scheu und ruhig verhält sich dagegen ein Basilisk, eine Art von Leguanen. Sie sind ihrer Umwelt so gut angepasst, dass man sie erst beim zweiten oder dritten Hinsehen sieht. Außerdem haben sie noch eine ganz besondere Eigenschaft: Sie können über Wasser laufen. Wie das? In ihren Füßen speichern sie Luft, und bei einer Geschwindigkeit von 8km/h ist ein Spurt über Wasser kein Problem. In Momenten der Not der perfekte Fluchtweg – außer ein Krokodil sperrt sein Maul auf.
Wir haben in Carara keine Nasen- oder Waschbären, Pfeilgiftfrösche, Weißwedelhirsche oder eine der vielen anderen Tierarten gesehen, aber was soll's, die Natur kann man eben nicht buchen.
Von dem "Klassenzimmer" in der Natur, geht es auf der nächsten Seite in die Schule in Costa Rica. Bist du
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Ab in die Schule!
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