Wie auch in Deutschland müssen die Kinder ab dem sechsten Lebensjahr in die Schule gehen. Mindestens neun Jahre lang. Und so sieht irh Schultag
aus.
Der Gong zur ersten Stunde in meiner Schule in San José ertönte schon um 7:30 Uhr. Eigentlich beginnt der Schultag in Costa Rica aber damit, dass die Kinder und
Jugendlichen die Schuluniform anziehen, die jede Schule hat. Meistens sind die Hosen, Röcke und Jacken braun, blau oder schwarz, und dazu tragen die Schüler ein helles Hemd oder
Poloshirt.
Am Frühstückstisch sitzen Tico-Schüler als schon in ihrer Uniform und essen gallo pinto (Reis und Bohnen) mit Tortillas und trinken Fruchtsaft, vielleicht auf Kaffee. Egal ob die Familie arm oder reich, auf dem Land oder in der Stadt lebt, gallo pinto gibt es überall. Mit hoffentlich gut gefülltem Magen geht’s für die Schüler dann zu Fuß, mit Schulbussen oder mit dem Auto zur Schule und dort angekommen, strömen sie in die Klassenräume. So wie in Deutschland.
An privaten Schulen allerdings müssen die Schüler erst durch eine Sicherheitskontrolle, damit kein Fremder auf das Gelände kommt. Man fühlt sich da wie in einem Hochsicherheitstrakt, und dabei ist es doch eine Schule. Das ist schon komisch.
Die einzelnen Stunden sind in costa-ricanische Schulen nur 40 Minuten lang - kaum hat man hola gesagt, verabschiedet man sich schon wieder. So fühlt es sich zumindest an. Zum Glück hatten wir fast immer Doppelstunden, in denen wir mehr Experimentieren und Ausprobieren konnten. Meistens besteht der Unterricht aus Vorträgen und fortwährendem Abschreiben von der Tafel. Nicht gerade meine Traumvorstellung, aber das Auswendiglernen von Fakten ist in Costa Rica sehr wichtig.
Da könnte man meinen, dass das Verhältnis zwischen den Schülern und Lehrern distanziert sei: Lehrer kommt rein, stellt die Tasche auf den Tisch und fängt an zu erzählen, bis die Kinder einschlafen. So ist es aber nicht. Das Miteinander von Schülern und Lehrern habe ich als sehr herzlich, freundschaftlich erlebt. Kinder und Jugendliche nennen ihre Lehrer auch einfach profe, das ist die Abkürzung von profesora oder profesor.
Trotz aller Nähe spielt Respekt älteren Personen gegenüber eine große Rolle und der Satz falta respecto, auf Deutsch „Es fehlt Respekt“, war immer mal wieder zu hören und wurde sehr persönlich genommen. Manche Dinge, die ein costa-ricanischer Kollege als respektlos empfand, war für mich eher Ausdruck der eigenen Meinung.
Aber auch hier gilt: andere Länder, andere Empfindungen. Und das sollte man auch respektieren, so lange niemand zu Schaden kommt. Du merkst sicher schon, an einer Schule mit zwei Kulturen gibt es viel zu beobachten und zu lernen - und nicht nur die beiden Sprachen.
Für Lehrer und Schüler ist die Lernzeit in den meisten Schulen Costa Ricas zwischen 14 und 15 Uhr zu Ende, und es geht wieder zu Fuß, mit dem Bus oder Auto zurück nach Hause. Zwischendurch gibt es während der Schulzeit natürlich kürzere Pausen und eine längere Mittagspause, in der (hauptsächlich) Jungen am liebsten Fußball spielen. Ist das in deinen Unterrichtspausen auch so? Egal wie heiß es im Sommer ist, oder wie stark der Regen hernieder prasselt – es wird Fußball gespielt.
Die Hitze und der Regen beeinflussen den Unterricht übrigens stark, denn manchmal ist es so heiß und schwül, dass jeder einzelne Gedanke schon Schweiß auf die Stirn treibt. Und wenn in der Regenzeit die Wolken ihre Wasserkammern öffnen, versteht man im Klassenraum sein eigenes Wort nicht mehr. Lesen ist dann das Beste, was man machen kann und der Regen wirkt wie eine natürliche Beruhigungsmusik im Hintergrund.
Sehr ungewöhnlich waren für mich die kleinen Erderschütterungen, die den Unterricht immer mal wieder unterbrachen. Costa Rica liegt in einem
Erdbebengebiet, und deswegen ist es sehr wichtig, schnell aus Räumen ins Freie zu Laufen, wenn man auch nur eine leichte Bewegung spürt. Man weiß vorher ja nicht, wie sich das Beben
entwickelt.
Ticos haben ähnliche Unterrichtsfächer wie Schüler in Deutschland: Mathe, Physik, Chemie, Geschichte, Politik, Sport, Musik, Kunst, Englisch und natürlich ihre Muttersprache, Spanisch. Ein besonderes Fach ist civica, in dem es ausschließlich um die Staatskunde von Costa Rica geht.
In der semana civica, was ungefähr „Woche zivil“ bedeutet, ist fast ausschließlich das Heimatland Thema. Die Unabhängigkeit von Costa Rica wird gefeiert. Eingeläutet wurde diese Woche in meiner Schule in der Aula mit einer Kurzfassung der costa-ricanischen Geschichte, typischen Tänzen und der Nationalhymne.
An einem Tag – mein Favorit – gab es landestypisches Essen und Trinken, das die einzelnen Klassen vorbereitet hatten: arroz con leche (Milchreis), empenadas (gefüllte Teigteilchen), frisch gepresster Zuckerrohrsaft und und und. An anderen Tagen gab es Vorträge, Musikveran- staltungen und so weiter. Normaler Unterricht fand recht wenig statt. Pura vida!
Überhaupt ist das Schuljahr eines der kürzesten weltweit, in manchen Schulen sind es manchmal nur 120 Schultage im Jahr. So wenige waren es bei mir an der Schule nicht, aber ich war dennoch immer wieder überrascht, wenn schon wieder Ferien oder ein Feiertag vor der Tür stand.
Schon nach 11 Jahren ist die Schulzeit entgültig vorbei und die Schüler machen ihren Abschluss, das sogenannte Bachillerato (kurz Bachi genannt) mit dem sie an die Universität gehen können. Die Prüfungen für diesen Abschluss sind in jeder Schule im Land gleich und werden zur selben Zeit geschrieben. Große Tage in ganz Costa Rica! Danach können die Jugendlichen die Schuluniform für immer ablegen.
Ostern in Costa Rica
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